Comenius


Comenius LogoDass sie gerne an diesem besonderen Projekt teilnehmen wollte, stand für die 18-jährige Sümeyye Karagöz gleich fest. Die junge Frau erhält bald ihren deutschen Pass, doch ihre türkischen Wurzeln kann und will sie gar nicht leugnen. Mit der Teilnahme an Comenius, dem europäischen Projekt für die schulische Bildung im Rahmen des Programms für lebenslanges Lernen der Europäischen Union, möchte sie auch für sich persönlich eine Brücke zwischen den Kulturen schlagen, denen sie sich beiden irgendwie zugehörig fühlt.
Auch wenn die Türkei nicht zur Europäischen Union gehört, hat sich zumindest Comenius dem Land am Bosporus geöffnet. Eine dem deutschen Gymnasium ähnliche Schule im türkischen Dalaman ist der bilaterale Comenius-Partner der Gustav-Heinemann-Gesamtschule (GHG), einer Schule, an der Integration und vor allem der Abbau von Vorurteilen zwischen den Kulturen ganz groß geschrieben wird.
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Neben Sümeyye Karagöz nehmen noch weitere 28 Schüler am Projekt teil, insgesamt 80 hatten sich beworben: «Wir haben bei dem Ansturm an Interessenten eine Art Casting veranstalten müssen, bei dem die Bewerber ihre Motivation, am Projekt teilzunehmen, darlegen sollten. Außerdem sollten sie Empfehlungsnachweise, etwa aufgrund ehrenamtlichen Engagements für die Gesellschaft oder die Schule, erbringen», erklärt Ralf Bauckhage, Lehrer und Comenius-Projektleiter an der GHG.

Beim Casting herausgekommen ist eine bunter Mischung an Schülern, mit und ohne Migrationshintergrund, von der siebten bis zur Abschlussklasse 13. Was sie alle gemeinsam auszeichnet: Sie sind engagiert und über die Unterrichtszeit hinaus motiviert, das Projekt voranzutreiben.

Vertretern des Stadtrates, Kooperationspartnern der Schule sowie dem Intergrationsrat der Stadt Alsdorf stellte eine Abordnung von Schülern den bisherigen Projektverlauf vor. Am Ende, so ist die Aufgabenstellung der bilateralen Schulpartnerschaft, wird eine Dokumentation über den Projektverlauf stehen. «Wir sind gleich. Wir sind anders» lautet der Arbeitstitel des deutsch-türkischen Beitrags. «Was ist überhaupt Kultur?», lautet etwa eine Fragestellung. «In Planspielen habe wir zur Annäherung an diese Frage eine ‚eigene‘ Kultur gebildet», erläutert die 14-jährige Lisa Winkens.

Was dabei offensichtlich wurde, nämlich dass Vorurteile und Stereotype – bewusste oder unbewusste – fast zwangsläufig auftreten, wenn unterschiedliche Kulturen «aufeinander treffen», wurde den Schülern recht schnell klar. Und auch, dass man gegen solche angehen muss, wie auch Fares Al-Glabra, GHG-Schülersprecher mit libanesischem Migrationshintergrund, betont. Dass vermeintlich harmlose Vorurteile in gefährliche Ablehnung und Rassismus umschlagen können, das weiß der 15-Jährige. Gegen eben solche Gefahren hat er auch eine Aktion ins Leben gerufen. «Wir müssen die Ähnlichkeiten der Kulturen aufzeichnen. Denn irgendwie sind wir doch alle gleich», sagt Fares.

Schier aus dem Häuschen ob der Begeisterungsfähigkeit seiner 29 Schützlinge, die er und zwei weitere Lehrer auf dem Projektweg begleiten, ist Ralf Bauckhage: «Es ist nicht selbstverständlich, dass Schüler sich auch außerhalb der regulären Unterrichtszeiten so engagieren und mit einem Projekt identifizieren.»

Besondere Antriebskraft dabei: Neugier. Im Juni besuchen die GHGler die Schule in Dalaman und sind gespannt auf die Eindrücke. «Besonders neugierig bin ich auf das Schulsystem in der Türkei», sagt Sümeyye. Dass ihre Wissbegierde auf große Gegenliebe stoßen wird, ist gewiss. «Bei einem Besuch dort haben wir gespürt, dass es den türkischen Schülern und Lehrern nicht anders geht», freut sich auch Ralf Bauckhage auf den Partner von der südlichen Ägäis.

(Von Holger Bubel; entnommen aus:  Aachener Nachrichten)