Schulleitungswechsel


Vorgänger und Nachfolger im Gespräch: „Die Vision wird sich nicht viel verändern“

Am Freitag übergibt Martin May die Leitung der Gustav-Heinemann-Gesamtschule an Ralf Bauckhage. Nach rund 40 Jahren im Dienste der Bildung und knapp acht Jahren als Schulleiter verabschiedet May sich in den Ruhestand. Für „die Zeit danach“ hat er bemerkenswerte Pläne. Die hat auch Nachfolger Bauckhage für seinen Start auf dem Rektorensessel.In einem Gespräch haben sie unserem Redakteur Thomas Vogel davon erzählt.
Wenige Momente sind übrig, bis Sie die Leitung der Schule an Ihren Nachfolger Ralf Bauckhage übergeben. Teilen Sie einige Momente mit uns, die Ihnen in besonderer Erinnerung bleiben werden, Herr May?
May: Gut erinnern kann ich mich zum Beispiel daran, als 1991 die Schachtanlage in Alsdorf gesprengt wurde. Im zweiten Stock haben wir mit Schülerinnen und Schülern am Fenster gestanden, haben den Rumms gehört und Staubwolken aufsteigen sehen. Zu diesen besonderen Momenten gehörten aber immer auch die jährlichen Musikabende, die Abschlussfeiern der 10er und der Abiturienten, die dann mit Stolz ihre Zeugnisse entgegennahmen, oder überhaupt der schrittchenweise Aufbau der Schule. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie wir im Rohbau der jetzigen Mensa gestanden haben und ein erster kleiner Chor ein Lied zum Richtfest gesungen hat.
Als sich für Sie, Herr Bauckhage, die Möglichkeit eröffnet hat, die Schulleitung zu übernehmen, haben Sie lange überlegen müssen?
Bauckhage: Ja, das habe ich. Denn eigentlich wollte ich einfach nur Lehrer sein. Im Laufe der Zeit aber wächst man in dem Gebilde Schule und übernimmt immer mehr Verantwortung. Vor vier Jahren haben wir zum ersten Mal darüber gesprochen, ob ich mir das vorstellen könne. Seitdem beschäftige ich mich mit dem Gedanken und seither überlege ich, ob ich es
will und es mir auch zutraue. Auch, ob es privat zu leisten ist. Vor zwei Jahren ist für mich die Entscheidung gefallen: Ja, ich mach’s. Der Schwere der Aufgabe bin ich mir dabei sehr bewusst. Man muss sehen: Unsere Gesamtschule ist jetzt 30 Jahre alt und hatte zwei Schulleiter. Zwei, die diese Schule in allen Bereichen sehr geprägt haben. Das macht mich schon

Zwei Schulleiter

Martin May verabschiedet sich als Leiter der Gustav-Heinemann-Gesamtschule und übergibt an seinen Nachfolger Ralf Bauckhage. Für „die Zeit danach“ hat er bemerkenswerte Pläne. Die hat auch Nachfolger Bauckhage. Im Interview haben sie davon erzählt.

sehr demütig mit Blick auf die kommende Aufgabe.

Wie haben Sie sich vorbereitet auf das, was da kommt?
Bauckhage: Es gibt ja einmal den formalen Aspekt: Man muss die Schulleiterqualifikation bei der Bezirksregierung machen mit anschließender Prüfung. Die individuelle Vorbereitung heißt bei mir: Ganz viel beobachten, ganz viel sprechen, ganz viel nachfragen. Bei kritischen Entscheidungen auch hören, warum sie in dieser Weise getroffen worden sind. Der ständige
Diskurs mit den verantwortlichen Menschen war enorm wichtig. Was meiner Ansicht nach allerdings auch stimmt, ist: Gute Vorbereitung hilft vielleicht in der ein oder anderen Situation. Aber ich kann mich so gut vorbereiten, wie ich will – was ab dem 3. Februar passiert, ist ein Hineinwachsen in das neue Arbeitsfeld.

Wenn Sie, Herr May, nun in den Ruhestand wechseln, werden Sie dann ausschließlich eine Position als Beobachter von Außen einnehmen, oder wird ein Kontakt bestehen bleiben?
May: Natürlich werde ich mit dieser Schule verbunden bleiben. Selbstverständlich. Wer so viele Jahre hier gearbeitet hat, mitentwickeln durfte – das legt man nicht einfach ab nach dem Motto: Jetzt stelle ich die Tasche mit den Erinnerungen in eine Ecke und damit ist das Kapitel vorbei. Aber es ist für mich sehr wichtig, dass mein Nachfolger seine eigenen Schwerpunkte hier setzt und seine eigenen Ideen umsetzt. Da werde ich nicht reinreden oder versuchen, Einfluss zu nehmen. Ich weiß, dass ein sehr guter Mann auf diese Position kommt.

Worte, die runtergehen müssen wie Öl, Herr Bauckhage …
Bauckhage: Ja, aber dieses große Vertrauen, das von Herrn May in meine Person gesetzt wird, ist natürlich auch eine Bürde. Jemand, der die Schule über Jahre und Jahrzehnte so geprägt hat – als didaktischer Leiter und später Schulleiter – wird sicherlich bei Entscheidungen schon eine kleine Rolle spielen. Es wird einiges anders werden, weil wir unterschiedliche Menschen sind, unterschiedlich agieren. Aber die Vision, wo unsere Schule hingehen soll, wie sie sich weiterentwickeln soll, wird sich nicht viel verändern.

Können Sie diese Vision in ein, zwei Sätzen zusammenfassen?
Bauckhage: Wir werden unsere Schule fit machen müssen für die zukünftigen Aufgaben, die Jugendliche in der Gesellschaft erfüllen müssen. Punkt 1 ist Digitalisierung. Punkt 2 ist der Umgang mit Nachhaltigkeit. Was können wir als Schule eigentlich dazu beitragen, wie wir mit den Ressourcen unserer Welt umgehen? Wir versuchen, eine Schule zu konzipieren, die Jugendliche in die Lage versetzt, ihren Platz in der Gesellschaft zu finden und einnehmen zu können.

Haben Sie bereits Punkte auf der Agenda, die Sie gleich anpacken wollen, oder steht zunächst die Orientierung auf dem Programm?
Bauckhage: Eine gewisse Orientierungsphase muss man haben, dass geht nicht anders. Auf meiner Agenda stehen aber bereits etliche Punkte – die Umgestaltung unserer Selbstlernräume zum Beispiel ganz oben auf der Liste. Die Anträge sind bereits gestellt. Für eine zukunftsorientierte Schule ist das Schaffen von Freiräumen zum eigenen Lernen unabdingbar. Die haben wir räumlich noch nicht gestaltet, aber das kommt. Der zweite Punkt ist die Nachhaltigkeit. Kurz bis mittelfristig wollen wir sogar versuchen, unsere Schule mit eigenem Strom zu versorgen.

Bald haben Sie mehr Zeit, die Sie füllen können, wie es beliebt. Wie beliebt es denn, Herr May? Liegen die Pläne für den Ruhestand bereit?
May: Auf den Einladungen für die Schüler und das Kollegium stehen sie: Reisen, Beobachten, Lesen, Fotografieren, Genießen. Dieses Fahrzeug (May zeigt auf ein Foto auf der Einladung, das ihn auf einem Campingstuhl neben einem Expeditionsfahrzeug zeigt; Anm. d. Red) steht auf einer Farm in Namibia in Afrika. Dort werden meine Frau und ich auf Reisen gehen, wir wollen nach Südamerika, wollen ornithologische Touren machen. Und es soll ein bisschen mehr Engagement im Naturschutzbereich geben. Das hatte ich durch die Übernahme der Schulleitung zurückschrauben müssen, weil man da nebenher nicht noch Vereinstätigkeiten ausüben kann.

Hört sich das für Sie nicht surreal an, Herr Bauckhage … am kommenden Montag als Schulleiter?
Bauckhage: Diese Surrealität gehe ich nun schon seit 14 Tagen mit meiner Frau zu Hause durch. Prinzipiell ist es nicht fassbar für mich. Der erste Realisieren wird am kommenden Sonntag bei der Vorbereitung für Montag einsetzen, wenn es wieder in die Schule geht. Nach drei Monaten werde ich vielleicht angekommen sein in dem Gedanken, obwohl ich glaube, dass es zwei bis zweieinhalb Jahre dauert, bis man das Amt so ausfüllt, wie man es ausfüllen möchte. Und ich glaube, dass man mit der Aufgabe stetig wächst. Bis man dann später Reisen, Beobachten, Lesen, Fotografieren und Genießen kann. (beide lachen)

Zur Person:
Martin May (gebürtig aus Neukirchen-Vluyn am Niederrhein) wohnt in Stolberg. Er ist seit 1979 im Schuldienst (inkl. Referendariatszeit). Nach seinem Einsatz als Abteilungsleiter an einer Gesamtschule in Mönchengladbach wechselte er 1991 an die Gustav-Heinemann- Gesamtschule, wo er im Sommer 2012 die Schulleitung von Volker Klüppel übernahm.
Ralf Bauckhage (gebürtig aus Meinerzhagen im Sauerland) wohnt in Hürth und ist seit mittlerweile 19 Jahren (Februar 2001) an der GHG. Er fing gleich nach seiner Referendariatszeit an der Alsdorfer Gesamtschule an. Viele Jahrzehnte im Dienste der Ausbildung

Was werden Sie denn gerne zurücklassen, wenn Sie sich nun verabschieden, Herr May?
May: Das ist sicherlich die große Anspannung und Verantwortung, die man hier hat. Hinter allem steht immer der Schulleiter, es gibt viele Sicherheitsbestimmungen zu beachten. Auch die Situationen, in denen man erzieherisch tätig sein muss, in denen man einem Schüler, einer Schülerin sagen muss: Hier hast du eine Grenze überschritten. Das sind Dinge, die nicht leicht sind, Dinge, die einem auch schwerfallen und wo ich nicht traurig bin, sie nicht mehr zu haben.

Und was wird Ihnen im Gegenzug besonders fehlen?
May: Vermissen werde ich, morgens in die Schule zu kommen, Schüler zu begrüßen, in freundliche, lächelnde Gesichter zu blicken, durchs Lehrerzimmer zu gehen, guten Morgen zu wünschen, der kurze Austausch mit den vielen Menschen, mit denen ich zusammen gearbeitet habe, die einem jetzt signalisieren: Du wirst uns fehlen. All das werde ich sicher eine ganze Zeit lang vermissen. Kinder, die hier an die Schule kommen, kommen manchmal auch mit schlechten Erinnerungen. Und wenn diese Kinder einem sagen: „Seitdem ich an der Gesamtschule bin, geht’s mir gut, fühle ich mich angenommen, fühle ich mich wertgeschätzt, fühle ich mich in meinen Fähigkeiten unterstützt.“ Ich habe dann fröhliche Kinder und Jugendliche vor mir, die hier ihre Chance sehen, zu einem tollen Schulabschluss zu kommen … das werde ich vermissen.

Entnommen aus Aachener Zeitung vom 30.01.2020; geschrieben von Thomas Vogel