Lesung „Spiel mir das Lied vom Leben“


Spiel mir das Lied vom Leben“ – In einer bewegenden Lesung nahm die Autorin Angela Krumpen die Schüler:innen des 9. Jahrgangs mit auf eine Zeitreise durch die Geschichte von Judith und dem Mann, der als Junge auf Schindlers Liste stand.

In Anlehnung an den Gedenktag zur Befreiung von Auschwitz führt die Gustav-Heinemann-Gesamtschule Alsdorf eine Woche der Erinnerung an die Opfer des Holocausts durch, die mit verschiedenen Veranstaltungen und Projekten gegen das Vergessen arbeitet und den aktuellen Bezug vor Augen hält und erfahrbar macht.

Die Schüler:innen des 9. Jahrgangs erhielten im Rahmen der Lesung des Buches „Spiel mir das Lied vom Leben von Angela Krumpen die Gelegenheit, begleitet von historischen Zeitdokumenten und Videoeinspielungen, in die tief bewegende Geschichte einzutauchen. Das Buch der Autorin erzählt die wahre Geschichte des Holocaustüberlebenden Jerzy Gross und der 10-jährigen Judith, die über die Musik zueinander finden. Neben der Autorin waren auch der Sohn des 2014 Verstorbenen, Gregor Gross und seine Frau Edith, zu Gast an der GHG.

Bereits im Alter von 3 Jahren beginnt Judith mit dem Geigenspiel. Als sie 11 Jahre alt ist, stößt sie im Internet auf die Titelmelodie von Schindlers Liste – Ein Geigenstück, das sie sehr berührt. Sie möchte mehr über die Geschichte dahinter erfahren, um die transportierte Stimmung der Melodie zu verstehen. In Gesprächen mit ihren Eltern über die Zeit des Holocausts wächst der Wunsch, mit jemandem zu reden, der „Das Schlimme“ erlebt hat und so ergibt sich der Kontakt zu dem Geiger Jerzy Gross, selbst ein hochbegabtes Kind, der im gleichen Alter wie Judith seine geliebte Geige im Konzentrationslager zurücklassen musste.

Durch den Austausch mit Judith beginnt er, über seine bewegende Geschichte zu erzählen, um als Zeitzeuge den Jugendlichen seine ganz persönliche und sehr ergreifende Geschichte nachvollziehbar, erlebbar und fühlbar zu machen. Doch nach seinen Auftritten in der Öffentlichkeit bekommt er Drohanrufe, wird als „Judensau“ beschimpft und wählt so das Pseudonym Michael Emge, wie er auch in Angela Krumpens dokumentarischem Buch genannt wird.

Der Blick auf einen Auszug aus dem original historischen Dokument von „Schindlers Liste“ zeigt unter der Nummer 328 seinen richtigen Namen, mit verändertem Geburtsjahr und einer Berufsbezeichnung, die als „kriegswichtig“ anerkannt war.

In dem Buch von Angela Krumpen erfährt der Leser die Umstände seines Lebens im Ghetto und einem Konzentrationslagers bei Krakau, den tragischen Verlust seiner gesamten Familie und wie er auf die Liste des Fabrikanten Oskar Schindler kam.

Ich habe lange überlegt, wie ich die Geschichte erzählen soll. Auszüge der Grausamkeiten werden geschildert, um eine Ahnung von der Angst zu bekommen, in der Jerzy gelebt hat. Aber am wichtigsten war es mir, ihn erzählen zu lassen, wie er überleben konnte, weil es immer wieder Menschen gab, die ihm geholfen haben“, erklärte die Autorin und appellierte an die Jugendlichen: „Auch ihr, jeder von euch, hat immer eine Wahl – Jemandem beizustehen, oder nicht. Die eigene Angst zu überwinden, was unglaublich viel Mut erfordert, aus dem Schatten zu treten und den eigenen Spielraum zu nutzen. Das könnt ihr und deswegen bin ich heute hier“.

Jerzy Gross ist im Jahre 2014 verstorben und so bleiben nun die Videoaufnahmen der langjährigen gemeinsamen Lesungen wie auch ein Dokumentarfilm der ARD, der eine gemeinsame Reise von Judith und Jerzy nach Krakau zu den Plätzen der Erinnerung begleitet. „Ich fand die Lesung sehr spannend, da die Kombination aus Fotos, Videoeinspielungen und Lesung sehr interessant war. Außerdem fand ich es interessant, dass ein Zeitzeuge an der Entstehung beteiligt war“, erklärte Sam aus dem Publikum.

Die Aufnahmebereitschaft unter den Jugendlichen war sehr unterschiedlich zu beobachten. „Zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist nur noch ein kleiner Kreis lebender Zeitzeugen verblieben, der aus eigener Erfahrung über Auschwitz berichten kann. Umso wichtiger werden Projekte wie das „Zweitzeugenprojekt“ von Angela Krumpen, in dem Menschen von einstigen Zeitzeugen berichten, deren authentischen Aussagen über die Vernichtungslager weitergeben und damit insbesondere denjenigen entgegenhalten, die Gräuel, Mord und Vernichtung relativieren, verharmlosen und sogar leugnen. Auch in unserer Schule zeigt sich, warum Projekte dieser Art unglaublich wichtig sind. Zwischen allen Schüler:innen sitzen vermehrt einzelne Gruppen, für die das Thema bereits „viel zu weit weg“ ist und die kaum Zugang zu dieser wichtigen Thematik finden“, erklärte die Lehrerin Franziska Perl, die den Arbeitskreis der politischen Bildung an der GHG leitet. „Gerade die Abwehrhaltung, mit der einige Schüler:innen dem Thema begegnen, zeigt einmal mehr, wie wichtig diese Aufklärungsarbeit ist„, erklärte die Lehrerin Annika Franzke, die seit langen Jahren im engen Kontakt mit der Autorin steht und schon mehrere Schülerprojekte mit ihr gemeinsam durchgeführt hat.

Besonders wenn die Reaktion bei den heutigen Jugendlichen darauf hindeutet, dass die Geschichte und die persönliche Betroffenheit über die Ereignisse und Schicksale immer weiter wegrücken, zeigt das die Wichtigkeit, die Geschichte immer weiter zu erzählen, Begegnungen zu schaffen, real werden zu lassen, fühlbar, erfahrbar und nachvollziehbar zu machen, damit sich bestimmte Kapitel nicht wiederholen.

Keine Schwarz-Weiß-Sicht – Niemand ist nur gut oder böse, das zeigen auch die Beispiele der helfenden Menschen in Jerzys Leben. „Es braucht nur ein bisschen mehr Mut als Angst – Das macht, dass Menschen überleben und verändert alles“, gab die Autorin den Jugendlichen mit auf ihren weiteren Weg.