Zeitzeugen


Gespräch mit dem Zeitzeugen Jack Aldewerelt

Ich gehöre doch hier schon zum Inventar!“, strahlt der Zeitzeuge Jack Aldewerelt den Schüler:innen des 13. Jahrgangs und der 10e am 17.01.2023 im Neuen Gebäude der GHG-Alsdorf entgegen. Doch nicht nur diese Einschätzung, sondern auch der ganze Besuch des Zeitzeugen und Holocaust-Überlebenden ist in diesem Jahr wieder eine große Ehre für die Schüler:innen und Lehrer:innen sowie Angehörigen des Alsdorfer Geschichtsvereins, die seinen Erzählungen und Mahnungen zuhören und ihn mit Fragen löchern dürfen.

Nachdem der Geschichte-Leistungskurslehrer Tom Kolvenbach einleitende Worte für den Zeitzeugen – die GHG möchte ihn nach diesen Jahren des Engagements in Erinnerung an die Opfer des Nazi-Regimes einen wahren Freund nennen – gefunden hatte, berichtete dieser mithilfe unzähliger selbst gesammelter und ausgewählter Materialien, Bücher und Originalquellen, über die Geschichte der Judenverfolgung. Dabei gelang es Herrn Aldewerelt auf eine ganz besondere Art und Weise, die historischen Geschehnisse – verknüpft mit der eigenen Familiengeschichte – anschaulich und nachvollziehbar, teilweise sehr emotional zu erzählen.

Als Baby konnten er und seine Schwester durch, wie er es nennt, „glückliche Umstände“ der Deportation durch die Nazis in der Alsdorfer Partnerstadt Brunssum nur knapp entkommen. Bis zu seinen eigenen Heiratsplänen, bei denen er durch offizielles Amtspersonal auf Unstimmigkeiten bezüglich seiner Geburtsurkunde und seines Namens hingewiesen wurde, war ihm selbst gar nicht bewusst, dass seine Eltern eigentlich seine Pflegeeltern waren. Erst nach und nach offenbarte sich schließlich die Wahrheit, dass seine eigentlichen Eltern und älteren Brüder durch die Nazis verfolgt und schließlich in den Konzentrationslagern Sobibor und Auschwitz ermordet wurden.

Doch war die Suche nach Informationen über seine Familie nicht leicht. Seine Pflegeeltern, denen er sehr dankbar war, dass er aufgenommen wurde und ein glückliches Leben führen durfte, wollte er mit Fragen nicht belasten – hatten sie doch schon so viel für ihn getan. Zeit ihres Lebens gab aber auch seine Schwester keine Antworten auf seine Fragen: „Sie hatte doch die Familie, Mama und Papa, noch richtig miterlebt. Das war zu schwer für sie, sie hat nie ein Wort darüber verloren, egal, wie oft ich sie gefragt habe. Aber ich verstehe das, jetzt kann ich das verstehen.“, so Aldeweret gegenüber seinen Zuhörern. Daher ist der wichtigste Appell für Herrn Jack Aldewerelt auch klar: „Stellt Fragen! Stellt so viele Fragen ihr könnt! Fragt eure Eltern und Großeltern, solange ihr noch Zeit dazu habt. Irgendwann ist die Zeit vorbei, dass ihr sie fragen könnt. Irgendwann kann auch ich nicht mehr auf eure Fragen antworten.

Und diesem Appell folgten die Schüler:innen sogleich: Ob die Tragödie der Familie zum Beispiel dazu geführt hat, dass er gegenüber den Deutschen oder Deutschland Hass empfinde. Welche Gefühle das Schicksal seiner Familie im Laufe seiner Recherchen bei ihm auslösten und ob er den Tätern jemals würde verzeihen können. Jede dieser Fragen beantwortete Herr Aldewerelt ehrlich und ausführlich. Die Vielzahl und das Spektrum der Fragen verdeutlichte den Anwesenden noch einmal, wie groß das Interesse der Schüler:innen an diesem Thema und der Person Jack Aldewerelt war, aber auch zugleich, wie wichtig es ist, zu diesem Thema Zugang über persönliche Schilderungen zu erhalten.

Für die Schüler:innen endete das Gespräch viel zu schnell – wahrscheinlich hätte es noch viel mehr Fragen gegeben. Daher hofft die Gustav-Heinemann-Gesamtschule, Herrn Aldewerelt auch im nächsten Jahr wieder begrüßen zu dürfen.