Schüler richten Petition ans Ministerium
Empört und entsetzt sind die Schüler der Gustav-Heinemann-Gesamtschule (GHG) in Alsdorf, als ihre Lehrerin Sabine Esser von ihrem Karriereschicksal berichtet: „Ich durfte nicht Beamtin werden, weil ich zu dick bin.“ Die Schüler quittieren das mit Buhrufen und Pfiffen. „Dass ich vom Planeten der Dicken und nicht der Kranken komme, hat den Amtsarzt bei der Gesundheitsuntersuchung, die zur Verbeamtung vorgeschrieben ist, nicht überzeugt“, sagte die 35-Jährige, die seit sieben Jahren im Schuldienst ist.
Drei weiteren Lehrern an der GHG ist es ebenso ergangen. Sie fragt: „Als angestellte Lehrerin darf ich das volle Pensum geben. Aber nicht als Beamte. Wo ist da die Logik?“ Raucher und Magersüchtige, so ergänzt die Pädagogin, die sich innerhalb ihres Dienstes auch als Beratungslehrerin engagiert, würden hingegen verbeamtet. „Ich kann als ‚alte‘ Angestellte ganz gut leben. Aber zum einen fühle ich mich durch die Ablehnung wegen meines Gewichts diskriminiert und zum anderen wird sich das geringere Gehalt in der Rente deutlich bemerkbar machen.“
Solidarität wollen die Schüler zeigen, demonstrieren, dass sie Schulter an Schulter mit ihren Lehrern stehen. Die rund 1300 Mädchen und Jungen – von der fünften Klasse bis zum Abiturjahrgang – wollen ein Zeichen setzen für diese Solidarität und treten nach außen für die Gleichbezahlung von verbeamteten und angestellten Lehrern an ihrer Schule ein. Hier klafft nämlich eine große Gehaltslücke. Angestellte Lehrer werden deutlich schlechter bezahlt als ihre verbeamteten Kollegen (wir berichteten mehrfach).
Jetzt hatten die Schüler eine Podiumsdiskussion geplant, zu der man neben betroffenen Lehrern auch politische und behördliche Vertreter ins PZ der Gustav-Heinemann eingeladen hatte. Letztere jedoch vergebens: Vom Philologenverband bekamen sie nicht einmal eine Absage, und Doris Harst, Vorsitzende des Schulausschusses der Städteregion Aachen, musste krankheitsbedingt kurzfristig absagen. Diese beiden Teilnehmer hätten vielleicht noch weitere Aspekte beizutragen gehabt im Kontext „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“, wie auf einem selbst gefertigten Plakat zu lesen war und wie Schülersprecher René Hommelsheim mehrfach forderte. So konnte Moderator Achim Kaiser, Redakteur dieser Zeitung, nur klare Befürworter der gleichen Entlohnung für Beamte und Angestellte auf der Bühne begrüßen. Aus der geplanten Diskussion wurde nichts, die Veranstaltung bekam den Charakter einer engagierten Kundgebung.
Und obgleich die Schüler ihre Lehrer unterstützen, zeigten sich die meisten doch überrascht von den Erklärungen des Vorsitzenden des Personalrats für Gesamt-, Gemeinschafts- und Sekundarschulen im Bezirk Köln, Markus Peiter, zum Thema Bezahlung. Der klärte auf: „Es gibt die Gruppe der verbeamteten Lehrer, eine zweite Gruppe älterer Angestellter, die rund 400 bis 600 Euro Netto im Monat weniger verdienen. Und es gibt eine dritte Gruppe, die neu angestellter Lehrer, die bis zu 1000 Euro weniger verdienen.“
Zahlen, die die Schüler beeindruckten. Auch Lehrer Wilhelm Braunleder ist einer der 27 angestellten Lehrer an der GHG. Er ist wegen seines Eintrittsalters zu Beginn der 90er Jahre als „Spätberufener“ knapp an der Verbeamtung vorbei geschrammt, ihm fehlten acht Monate. Er erinnert: „Damals hat man viele Berufstätige wie mich mit der Aussicht auf die Verbeamtung an die Schulen gelockt. Dann wurde die Altersgrenze herab gesetzt. Und die meisten standen da und blieben Angestellte.“
Die Argumente gegen eine Angleichung von Beamten- und Angestelltengehältern sind immer die gleichen, erklärte Markus Peiter den Schülern: „Es ist kein Geld da.“
Lob für das Engagement
Das Engagement der Schüler an der GHG lobte der Personalrats-Vorsitzende und Gewerkschafter ausdrücklich: „Viele verbeamtete Lehrer zeigen sich solidarisch mit ihren Angestellten-Kollegen, aber dass Schüler so offensiv für ihre Lehrer eintreten, ist nicht selbstverständlich.“
Dieser Einsatz soll aber noch weitergehen. „Die Lehrer sind für uns da, wir fühlen uns als dynamische Gemeinschaft und wollen ihnen auch etwas zurückgeben. Daher werden alle eine Petition unterschreiben, die wir dem Schulministerium NRW zustellen werden“, erklärte Schülersprecher Hommelsheim. Dass diese dort Gehör finden wird, ist sich Markus Peiter sicher: „Es ist ja leider in dieser politischen Verwahrlosung Usus geworden, dass Lehrer erst streiken müssen, damit sich etwas tut. Da kommt jede Unterstützung recht.“ Peiter stellte in Aussicht, dass der Lehrerstreik nach den Osterferien fortgeführt werden könnte.
Entnommen aus Aachener Nachrichten vom 21.03.2013